Hebammensterben auf Raten - und die Regierung kommentiert desinteressiert
Deutscher Hebammenverband, DHV e.V.
Gleich zwei Hiobsbotschaften versetzten diese Woche die rund 18.000 Hebammen im Land in Enttäuschung und in Wut.
Abgelehnt wurde die Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen, von Regierungsseite regulierend bei der Ausgestaltung der Haftpflichtprämien der Hebammen einzugreifen (Drucksache 17/4747).
Abgelehnt wurde auch der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, die Leistungen bei Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett aus der Reichsverordnung in das Sozialgesetzbuch zu überführen und zeitgemäß auszugestalten (Drucksache 17/5098).
Zum Juli 2012 wird die Haftpflichtprämie für freiberuflich erbrachte Geburtshilfe innerhalb von zwei Jahren von 3.689 Euro auf 4.242 erhöht. Das entspricht einer Steigerung von 15 % bei nahezu gleichbleibend niedrigem Einkommen. Der Deutsche Hebammenverband widerspricht der schwarz-gelben Regierung, wenn diese in ihrer Ablehnung behauptet, dass der Versicherungsmarkt im Bereich der Hebammenhaftpflicht ausreichend funktionieren würde. Nach Ansicht des Verbandes muss die Situation der mangelnden Versicherungsanbieter unterbrochen werden. Trotz europaweiter Ausschreibung haben sich nur drei Anbieter für die Berufshaftpflichtversicherung gemeldet. Die Prämienhöhen aller Angebote bringen die Hebammen in weitere Finanzierungsnot. Die Gründe für die explodierende Haftpflichtprämie sind vielfältig: Einen Grund sieht der Hebammenverband in der Haftungszeit von 30 Jahren für geburtshilfliche Schäden. Diese lange Haftungszeit ist für Versicherer nicht kalkulierbar und bedarf einer dringenden Korrektur auf die ansonsten übliche Haftungszeit von 10 Jahren. Ein weiterer Grund liegt in der hohen Zahl der Regressforderungen durch die Krankenkassen, die mit diesen Zahlungen ihren finanziellen Haushalt verbessern.
Angesichts dieser problematischen Situation fordert der Hebammenverband von der Regierung, ihr deutlich zur Schau gestelltes Desinteresse zu überwinden und einen gesetzgeberischen Eingriff in den privaten Haftpflichtversicherungsmarkt vorzunehmen. Wie dies im Konkreten aussehen könnte, müsste zeitnah ausgelotet werden.
„Wenn die Bundesregierung das anerkannt hohe Niveau der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland betont, dann müssen auch Strukturen geschaffen werden, die es Hebammen ermöglichen, in Zukunft qualifiziert hochwertig arbeiten können. Das können Hebammen aber nicht, wenn sie sich die Haftpflichtprämie nicht mehr leisten können oder das Damoklesschwert über ihnen schwebt, im Falle eines Fehlers lebenslänglich mit ihrem Privatvermögen gerade stehen zu müssen“, so Martina Klenk, die Präsidentin des Hebammenverbandes.
Auch die Weigerung, die Leistungen für Hebammenhilfe aus der Reichsversicherungsordnung in das V. Sozialgesetzbuch zu überführen, entlarvt die Ignoranz und zeigt die Fehleinschätzung der politischen AkteurInnen, so ist aus den Reihen der Hebammen zu hören. Obwohl unisono alle Fraktionen von einem berechtigten Anliegen der Hebammen sprechen und die technische Überführung in einen zeitgemäßen Gesetzestext möglich sei, haben CDU und FDP dagegen votiert, die SPD sich enthalten. Auch zukünftig wird Hebammenhilfe also nicht genau definiert sein, adoptierte Säuglinge werden genau so wenig Anspruch auf Hebammenhilfe haben wie Väter beim Tod der Kindsmutter oder Frauen nach einem Schwangerschaftsabbruch mit einem psycho-sozialen Betreuungsbedarf. „Die Botschaften aus Berlin lassen keinen anderen Schluss zu, als dass es den politisch Verantwortlichen nicht um das WIE eines Lebensbeginns geht, sondern nur um das OB. Wir Hebammen denken in anderen Kategorien. Uns geht es nicht um zukünftige Rentenzahler oder eine neue Generation von Arbeitnehmern. Uns geht es um einen würdevollen Start ins Leben. Dazu bedarf es allerdings solider Arbeits- und Einkommensbedingungen der Hebammen, die an einem gelingenden Lebensanfang maßgeblich beteiligt sind. Können diese Arbeits- und Einkommensbedingungen nicht garantiert werden, wird es zu einem weiteren Hebammensterben kommen. Dadurch wird sich die geburtshilfliche Struktur in Deutschland dramatisch verändern. Der Anteil operativer Geburten wird weiter steigen, Wöchnerinnen werden ohne Versorgung und ohne Beistand am dritten Tag nach Kaiserschnitt entlassen und die Gefahr häuslicher Eskalationen im Umgang mit Säuglingen wird zunehmen. Für diese Entwicklung müssen dann die politischen Akteure die Verantwortung übernehmen, wenn sie nicht zu sofortigen Korrekturen bereit sind“, so Martina Klenk, die Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes.
Der Deutsche Hebammenverband vertritt die Interessen von ca. 17. 540 Mitgliedern, inklusive 560 Schülerinnen und 117 von Hebammen geleitete Einrichtungen (HgE wie z.B. Geburtshäuser). Ungefähr 60% der Hebammen sind freiberuflich tätig. Ca. 30% arbeiten sowohl angestellt als auch freiberuflich. Über die berufliche Interessenvertretung hinaus ist eine gute medizinische und soziale Betreuung der Frauen und ihrer Kinder vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende der Stillzeit das zentrale Anliegen des Deutschen Hebammenverbandes. Präsidentin: Martina Klenk
Kontakt: Dr. Edith Wolber, Pressesprecherin des Deutschen Hebammenverbandes
Telefon 06226 – 429400, Mail: wolber@hebammenverband.de,
Infos unter www.hebammenverband.de