Länder gegen Hebammen-Modell

21.06.2011 05:10
Süddeutsche:
Wegen Widerstands im Bundesrat steht Betreuung von Risikofamilien auf der Kippe

Berlin - Während Familienministerin Kristina Schröder im Mutterschutz weilt und sich auf das Leben zu dritt vorbereitet, steht eines ihrer wichtigsten Projekte für Mütter und Väter in weniger geordneten Verhältnissen vor dem Aus.
Denn der Bundesrat blockiert den geplanten Einsatz von Familienhebammen. Um früh einzugreifen, wenn Kinder vernachlässigt werden, sollten von 2012 an intensiv geschulte Familienhebammen überforderte Eltern im ersten Lebensjahr eines Kindes begleiten. Die Bundesländer fordern stattdessen, dass sich normale Hebammen künftig sechs statt bislang zwei Monate um Risikofamilien kümmern sollen. Hintergrund ist, dass Länder und Kommunen die Kosten für die Familienhebammen tragen müssten. Übernähmen normale Hebammen diese Aufgaben, so hoffen die Länder, müssten die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) zahlen.
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'Die Länder erteilen damit dem Kindesschutz eine gewaltige Abfuhr und zerstören, was in jahrelanger Arbeit mühsam aufgebaut wurde', sagt Adolf Windorfer, Vorsitzender der Stiftung 'Eine Chance für Kinder'. Die Einrichtung bildet Familienhebammen aus und hat das Ziel, die Misshandlung von Kindern zu verhindern. Nach dem Fall Kevin, dessen Leiche 2006 in einem Kühlschrank gefunden wurde, hätten alle aufgeschrien. 'Aber jetzt ist das vergessen, und keiner will zahlen', sagt Windorfer. Auch Martina Klenk, Präsidentin des Deutschen Hebammenverbands, befürchtet, 'dass Hebammen hier als kostengünstigere Möglichkeit zur Sicherung des Kindeswohls etabliert werden sollen'. Sie stellt fest, dass 'eine Ausdehnung der originären Hebammentätigkeit auf sechs Monate die Arbeit der Familienhebammen nicht ersetzen' könne. Obendrein, sagt Windorfer, zeigten Studien in Niedersachsen, dass sich deren Arbeit nicht nur fachlich, sondern auch ökonomisch lohne. Denn ein Kind später aus einer Familie herauszunehmen, koste bis zu 60000 Euro im Jahr, der Einsatz von drei Familienhebammen 100000 Euro.
In Niedersachsen kümmern sich derzeit 150 solcher Hebammen um Familien, die traumatisiert sind, Drogen- oder Gewaltprobleme haben. Windorfer sagt: 'Dieses erfolgreiche Modell wäre am Ende, wenn sich nun der Bundesrat mit seinen Vorschlägen durchsetzt'. Am Mittwoch berät das Kabinett über die Stellungnahme des Bundesrats, und zumindest von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr können die Hebammen Rückendeckung erwarten. Er will verhindern, dass die Krankenkassen für die Familienhebammen zahlen müssen. Ein Sprecher sagte, 'alles, was über das medizinisch Notwendige hinausgeht, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht von der GKV zu finanzieren'.
 
-- Dr. Edith Wolber
Pressesprecherin des Deutschen Hebammenverbandes e.V.
74909 Meckesheim Bergstraße 3

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